Meine Stellungnahme zu den Behauptungen in der türkischen Presse

12. Dezember 2018

Am 28. November 2018 hat sich der Parteivorsitzende der Republikanischen Volkspartei CHP und Oppositionsführer in der Großen Türkischen Nationalversammlung, Kemal Kılıçdaroğlu, mit Mitgliedern der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe zum Meinungsaustausch getroffen. An dem Treffen habe ich auch teilgenommen. Wenig später verbreiteten regierungsnahe türkische Medien gezielte Falschmeldungen über das Treffen sowie über meine Person. Ich nehme dazu wie folgt Stellung, indem unter die jeweiligen türkischen Fake News die realen Fakten aufgeführt werden:

 

Fake News:

Das Treffen habe konspirativ stattgefunden und dazu gedient, Geheimabsprachen zwischen der republikanisch-kemalistischen CHP und der linken prokurdischen HDP für die nächsten Wahlen anzubahnen.

Reale Fakten:

Wie bei allen vorherigen Besuchen aus der Türkei ging es bei dem offiziellen Treffen der Parlamentariergruppe um Fragen des deutsch-türkischen Verhältnisses sowie um Informationen über die aktuelle Situation in der Türkei.

 

Fake News:

Mein politisch aktiver Vater und ich seien Mitglieder der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und wir seien 1979 nach Deutschland geflüchtet, wobei sich mein Vater seit mehr als 20 Jahren unter falschem Namen in Deutschland verstecken solle.

Reale Fakten:

Mein Vater war in der Türkei der Gründer der ersten sozialistischen Lehrergewerkschaft „TÖP-DER“. Unsere Familie konnte gerade noch rechtzeitig vor dem Militärputsch 1980 aus der Türkei nach Deutschland fliehen. Wir haben politisches Asyl bekommen und bislang immer unter unserem echten Namen in Deutschland gelebt.

Ich selbst war nie Mitglied in einer ausländischen Organisation. Ich setze mich für die friedliche Lösung der Kurdenfrage ein. Dafür müssen in den vier Staaten, in denen das traditionelle Siedlungsgebiet der kurdischen Bevölkerung liegt (Türkei, Syrien, Irak, Iran), mittels politischen Dialogs jeweils landesspezifische Lösungen gefunden werden. Die türkische Regierung diffamiert hingegen Forderungen nach einer friedlichen Lösung der Kurdenfrage bereits als „Unterstützung einer Terrororganisation“.

 

Fake News:

Ich sei nur im Bundestag, um der Türkei zu schaden. Des Weiteren habe ich ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, um das Vorgehen der türkischen Armee in Afrin als völkerrechtswidrig zu verurteilen.

 Reale Fakten:

Die Türkei ist nur eines von zahlreichen anderen Ländern, für die ich im Rahmen meiner Aufgaben als Entwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion zuständig bin. Bislang entfallen auf die Türkei rund 5 Prozent meiner parlamentarischen Aktivitäten.

Richtig ist, dass ich Anfang dieses Jahres beim Wissenschaftlichen Dienst ein Gutachten zum Einmarsch der türkischen Armee in der Region Afrin in Syrien in Auftrag gegeben habe. Das Gutachten diente dazu, das türkische Vorgehen durch ausgewiesene Expertinnen und Experten juristisch überprüfen zu lassen, ob und inwieweit es mit dem internationalen Recht in Einklang steht. Inzwischen liegen mehrere Gutachten vor, die übereinstimmend bestätigen, dass die türkische Militärintervention in Afrin nach vorherrschender Meinung einen Bruch des Völkerrechts darstellt. Ebenso haben Vertreterinnen und Vertreter ALLER Fraktionen im Bundestag das türkische Vorgehen als völkerrechtswidrig kritisiert. Diese Auffassung ist somit kein politisches Alleinstellungsmerkmal meiner Fraktion oder von mir persönlich.

Darüber hinaus sitze ich als demokratisch gewählte Abgeordnete im Deutschen Bundestag und vertrete ausschließlich die Interessen der Bevölkerung in Deutschland in ihrer gesamten Vielfalt. Ich vertrete weder die Interessen von anderen Staaten noch von ausländischen Organisationen.

Als Linke und auch wegen meiner kurdisch-alevitischen Herkunft bin ich allerdings dafür sensibilisiert, wenn Minderheiten diskriminiert werden oder Hetze gegen Minderheiten betrieben wird. Deshalb trete ich entschieden gegen den zunehmenden antimuslimischen Rassismus und selbstverständlich auch gegen den antitürkischen Rassismus in Deutschland auf, selbst wenn mich die türkische Regierung wie eine Landesverräterin betrachtet. Der türkische Staat wird begreifen müssen, dass ich nicht sein persönliches Eigentum bin, nur weil ich in ihm geboren wurde. Ich bin schon seit langem keine türkische Staatsbürgerin mehr.

Berlin, 12. Dezember 2018

Helin Evrim Sommer, MdB

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