Rede zum 76. Jahrestag der Befreiung
Sehr geehrter Herr Vertreter der Botschaft der Russischen Föderation in Deutschland,
Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten,
Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Genossinnen und Genossen,
zunächst bedanke ich mich recht herzlich für die Einladung und die Möglichkeit, hier einige Worte sagen zu dürfen.

Meine Rede hielt ich vor dem Sowjetischen Ehrenmal in Staaken.
Heute vor 76 Jahren, am 8. Mai 1945 wurde in Berlin die Kapitulation Nazideutschlands ratifiziert. Damit endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Dieser Krieg war ein Eroberungs-krieg und ein Vernichtungskrieg. Noch nie zuvor wurden in einem Krieg so viele Menschen getötet und so gewaltige Zerstörung angerichtet. Mehr als 6 Millionen Juden und 27 Millionen Sowjetbürger fielen dem Vernichtungsfeldzug der Nazis zum Opfer.
Dieser kleine Gedenkstein ist ein Zeugnis aus dieser Zeit. Am 25. April 1945 erreichte die Rote Armee Staaken und begrub hier zunächst ihre Opfer. Knapp zwei Wochen später kapitulierte Nazideutschland. Damit endete eine Zeit des Schreckens in Europa.
Für mich hat der „Tag der Befreiung“ auch eine ganz persönliche Bedeutung. Ich bin zwar nicht in Deutschland geboren, musste aber zusammen mit meiner Familie 1980 vor dem faschistischen Militärregime aus der Türkei flüchten.
Mein Vater war ein sozialistischer Gewerkschafter – und bekennender Kurde. Sein Name stand auf der Todesliste der Junta. Kenan Evren, der türkische General und
Putschisten-Führer von damals, hatte selbst Hitler zum Vorbild.
Immer wieder sagte er: „Was Hitler mit den Juden machte, das mache ich mit euch.“
Damit meinte er uns Kurden.

Im stillen Gedenken mit Vertreter*innen der Botschaft der Russischen Föderation.
Ein großer Teil meiner Kindheit war von Bombenanschlägen der türkischen Faschisten, Attentatsversuchen und der permanenten Bedrohung unser Leben geprägt. Ich trage diese Geschichte in mir. Tief in mir. Sie prägte mich und seither ist mir der Kampf gegen Rassismus und Faschismus eine besondere Verpflichtung.
Meine Familie flüchtete nach West-Berlin, genauer nach Spandau. Wir fanden hier ein sicheres Zuhause. Trotz des latenten Alltagrassismus, den wir als Flüchtlinge erfuhren, lebten wir in West-Berlin ohne Angst vor Gewalt. Denn Deutschland war nicht mehr das Nazi-Deutschland. In diesem Sinne danke ich aus tiefsten Inneren den Alliierten und ganz besonders der Roten Armee für diese Befreiung.
Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten,
der Tag der Befreiung ist immer noch kein bundesweiter Gedenktag, obwohl dies mehr als überfällig ist. Erst 40 Jahre nach Kriegsende wagte ein bundesdeutscher Präsident von einer Befreiung zu sprechen. Richard von Weizsäcker bezeichnete vor dem Deutschen Bundestag den 8. Mai als „Tag der Befreiung vom menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“.
Seit dieser Zeit wurde in der BRD verstärkt über die Bedeutung des 8. Mais diskutiert. Steht er für die totale militärische Niederlage Deutschlands oder für seine Befreiung vom Nationalsozialismus? Noch zum 60. Jahrestag der Befreiung vom Hitlerfaschismus wurde lediglich an die Kapitulation und das Kriegsende erinnert.

Gedenkkränze am Ehrenmal.
Medial wurde die Landung der Alliierten am 6. Juni 1944 in der Normandie als Befreiung gefeiert. Die innere Befreiung vollzog sich bereits durch Stauffenberg und seine Verschwörer des 20. Juli. In der BRD war unvorstellbar, dass der neue Feind im Kalten Krieg, die Sowjetunion, einst der Befreier Deutschlands war. Das ist Geschichtsrevisionismus pur!
Der in der DDR begangene Tag der Befreiung wurde mit der Wiedervereinigung abgeschafft. Statt an die Opfer des Faschismus zu erinnern, wurde nun der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft gedacht. Mehr und mehr waren das die Opfer der so genannten „kommunistischen Gewaltherrschaft“.
Auf Initiative der Linken ist seit 2002 der 8. Mai in Mecklenburg-Vorpommern und seit 2015 in Brandenburg offizieller Gedenktag. DIE LINKE setzt sich seit langem dafür ein, dass der 8. Mai ein gesetzlicher Feiertag in ganz Deutschland wird. In Berlin gibt es konkrete Bestrebungen für die Einführung dieses Feiertages. In Frankreich ist der 8. Mai bereits ein gesetzlicher Feiertag. In Russland ist es der 9. Mai.
Der 8. Mai muss ein Tag sein, an dem wir nicht nur die Befreiung von Gewalt und Terror feiern. Sondern er muss auch ein Aktionstag gegen Faschismus, Rassismus, Antisemitismus, Homophobie und allgemein gegen Rechte Gewalt sein. Der Tag soll uns angesichts der NSU Terror-Morde, des Erstarkens der AfD und anderer Rechtspopulisten in Europa Verpflichtung sein: Antifaschistisches Engagement kennt kein Ende.
Der heutige Tag ist uns Verpflichtung und Mahnung zugleich, für eine Welt ohne Krieg und Faschismus zu kämpfen. Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!
Vielen Dank.
Bundestagsbüro
Helin Evrim Sommer, MdB
Deutscher Bundestag
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Tel: 030-227-77518
helin-evrim.sommer@bundestag.de
Bürgerbüro Spandau
Reisstraße 21
13629 Berlin
Tel: 030-235-64177
helin-evrim.sommer.ma05@bundestag.de





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