Rede anlässlich der Veranstaltung “Menschenrechtsanwält_innen unter Anklage – Eren Keskin” (Amnesty International)
Liebe Freundinnen und Freunde,
Zunächst möchte ich meinen Respekt bezeugen vor den Menschen, die in der Türkei und in Kurdistan seit Jahrzehnten für Demokratie und Freiheit, für gleiche Rechte und soziale Gerechtigkeit, gegen Unterdrückung, staatliche Gewalt und Menschenrechtsverletzungen kämpfen. In der Türkei und hier, in Berlin, in Europa, in der ganzen Welt, der Kampf für Menschenrechte kennt keine nationalstaatlichen Grenzen. Viele von euch, haben zuvor in der Türkei selbst Widerstand gegen Unrecht und Unterdrückung geleistet, und dabei einen unglaublichen Mut, eine mehr als beeindruckende Standhaftigkeit bewiesen. Die meisten haben einen hohen Preis bezahlt, einen Preis, den sich viele hier in Europa lebende Menschen gar nicht vorstellen können.
In der Türkei und insbesondere für den türkischen Staat, ist es das größte und unverzeihlichste Verbrechen, in irgendeiner Weise Teil der kurdischen Befreiungsbewegung zu sein und sich für die Rechte der Kurden einzusetzen. Dies wohl wissend hat sich Eren Keskin mit einer unbeugsamen Haltung und einem unermüdlichen Engagement für die Rechte der Kurden eingesetzt. So wurde Sie 1995 wegen der Verwendung der Bezeichnung “Kurdistan” in einem Artikel für die kurdische Tageszeitung “Özgür Gündem” zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Zuletzt wurde sie im März wegen „Herabwürdigung staatlicher Organe“ und „Beleidigung des Staatspräsidenten“ zu 7,5 Jahren Haft verurteilt, weil sie aus Solidaritätsgründen als Herausgeberin der verbotenen Tageszeitung Özgür Gündem im Impressum stand.
Ich denke es gibt niemanden unter uns, dem der Namen Eren Keskin nicht begegnet ist. Dennoch ist es notwendig, glaube ich, uns daran zu erinnern, wofür sich Eren Keskin – die seit den neunziger Jahren staatlichen Repressionen ausgesetzt ist – eingesetzt hat.
Wofür steht Eren Keskin, als Frau, als Anwältin und Aktivistin?
Eren Keskin, die sich für die Rechte von Opfern sexualisierter Gewalt einsetzt, hat kontinuierlich aufgezeigt, dass Gewalt gegen Frauen und LGBTQI kein privates und individuelles Randproblem ist, sondern ein politisches und gesellschaftliches Problem, welches durch die Männlichkeitsideologie des Staates institutionalisiert wird.
Eren Keskin hat in der Öffentlichkeit immer wieder betont, dass die Erwerbsarbeit systematisch präkarisiert wird und dass diese Verarmungspolitik auf der ideologischen und politischen Struktur des türkischen Staates fußt.
Sie hat sich stets mit Individuen und Gruppen solidarisiert, die aufgrund ihrer sozialen, ethnischen, politischen oder sexuellen, nichttürkischen Zugehörigkeit, vom Staat marginalisiert und diskriminiert wurden.
Eren Keskin hat immer wieder betont, dass die Wurzel der staatlichen Gewalt in Kurdistan eine koloniale Gewalt ist und hat sich, nicht nur als Anwältin, sondern auch als Aktivistin gegen die Rechtsverletzungen an die Seite der kurdischen Freiheitsbewegung gestellt.
Keskins Einstellung zu all diesen politischen Fragen und ihr Verweis auf den Staat als Subjekt der Gewalt haben sie seit den neunziger Jahren zur Zielscheibe des türkischen Staates gemacht.
Eren Keskin’s Haltung ist richtig und bedeutsam. Sie hat über sich einmal sehr bezeichnend gesagt: „Meine Arbeit ist meine Lebenseinstellung, meine Lebensweise, meine Aufgabe. Dies ist mein Weg – für mich der einzig mögliche. Daher lasse ich mich trotz aller Bedrohungen und Widrigkeiten auch nicht von diesem Weg abbringen.“ Nicht aufzugeben trotz immer wieder auftauchender Behinderungen und Bedrohungen des eigenen Lebens, das ist es, was Eren Keskin zu einer solch herausragenden Persönlichkeit macht. Eren Keskins Kampf ist unser Kampf. Angesichts der Einschüchterungs- und Isolationsversuche seitens der türkischen Regierung und Justiz, möchte ich nochmals betonen: Eren Keskin ist nicht allein!
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Helin Evrim Sommer, MdB
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